05.08.2022

Humanes Cytomegalovirus - Neuer Austrittspfad aufgedeckt

3D-live cell lattice light sheet imaging einer HCMV-infizierten Zelle.
3D-live cell lattice light sheet imaging einer HCMV-infizierten Zelle.

Die Gruppe Quantitative Virologie unter Leitung von Jens B. Bosse (MHH, LIV, CSSB) hat einen neuartigen Sekretions-Weg aufgedeckt, den das Humane Cytomegalovirus (HCMV) zur Ausbreitung zwischen menschlichen Zellen nutzt. Die in PLoS Pathogens veröffentlichte Studie zeigt, dass HCMV große Mengen von Viruspartikel in Pulsen freisetzen kann. Den Forscher:innen zufolge könnte dieser neue Austrittsweg zur Vielfalt der produzierten Viruspartikel beitragen und die Fähigkeit des Virus erklären, verschiedene Zelltypen zu infizieren. 

Virusinfektionen beginnen, wenn ein Viruspartikel in eine Wirtszelle eindringt und diese umprogrammiert, um die Bildung neuer Partikel zu ermöglichen. Damit sich die Infektion ausbreiten kann, müssen die neuen Viruspartikel einen Weg finden, freigesetzt zu werden und die nächste Wirtszelle zu infizieren. Dieser Weg wird als Austrittspfad bezeichnet.

Bisher war nur ein Austrittspfad für HCMV bekannt, bei dem einzelne Viruspartikel in kleine Transportvesikel eingeschlossen und kontinuierlich aus der infizierten Zelle ausgeschieden werden. „Mehrere Studien zeigten Viruspartikel in multivesikulären Strukturen, aber niemand konnte sie mit einem Sekretionsweg in Verbindung bringen“, erklärt Jens Bosse. „Wir waren fasziniert von diesen Strukturen und beschlossen, ihre Dynamik genauer zu untersuchen.“ 

Mit Hilfe der Mikroskopie-Technologieplatformen am LIV und einem integrativen Ansatz, der auf volumetrischer Lebendzellmikroskopie und dreidimensionaler korrelativer Licht- und Elektronenmikroskopie (3D-CLEM) basiert, konnte das Team Um jens Bosse Akkumulationen von umhüllten Viruspartikeln in multivesikulären Körpern identifizieren, die sie als multivirale Körper (MViBs) bezeichneten. „Mit Bildgebung in lebenden Zellen konnten wir zeigen, dass diese MViBs in die Zellperipherie transportiert werden und anschließend mit der Zellmembran verschmelzen, wodurch eine große Anzahl von Viruspartikeln auf einmal freigesetzt wird“, erklärt der Erstautor der Studie, Felix Flomm. „Die infizierten Zellen spucken im Grunde genommen Hunderte von Viruspartikeln auf einmal aus“. Die Existenz mehrerer Austrittspfade könnte die Vielfalt der HCMV-Viruspartikel erklären, die verschiedene Zelltypen mit Hilfe spezifischer Glykoproteinkomplexe infizieren.

HCMV verursacht bei den meisten gesunden Menschen eine lebenslange latente Infektion; bei immungeschwächten Patient:innen und Neugeborenen kann es zu schweren Erkrankungen führen, die verschiedene Gewebe und Organe betreffen. „Das Verständnis der Ausbreitungswege von HCMV ist für die Entwicklung neuer antiviraler Strategien für diesen klinisch relevanten Erreger von entscheidender Bedeutung“, so Jens Bosse. Die Forscher:innen werden nun untersuchen, wie die Freisetzung von HCMV-Partikeln aus MViBs ausgelöst wird.

Abbildung:

3D-live cell lattice light sheet imaging einer HCMV-infizierten Zelle. Grün sind die viralen Kapside und rot die viralen Membranen. Angedeutet ist ein MViB, das zur Plasmamembran transportiert wird, wo es zu fusionieren scheint.

Publikation:

Flomm FJ, Soh TK, Schneider C, Wedemann L, Britt HM, Thalassinos K. et al. (2022) Intermittent bulk release of human cytomegalovirus. PLoS Pathogens. 

https://doi.org/10.1371/journal.ppat.1010575

A review zu dem Thema: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35607767/

Mit redaktionellem Hinweis: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/mmi.14950

Cover: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/mmi.14746