07.08.2020

„Missing Link“ im Replikationsprozess von Coronaviren identifiziert

Coronaviren wie SARS-CoV-2 bauen infizierte Zellen drastisch um, indem sie spezielle Membranstrukturen aufbauen, in denen sich das Virus vermehren kann. Bisher war jedoch nicht klar, wie die so neu entstandenen Genome dieses Kompartiment verlassen können. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Grünewald-Gruppe (HPI, UHH) fanden Forschende des Medizinischen Zentrums der Universität Leiden nun eine Passage, die von einer großen kronenförmigen molekularen Pore gebildet wird. Diese Proteinstruktur ist ein möglicher neuer Ausgangspunkt für die Entwicklung antiviraler Medikamente. Die Studie ist gerade online in der renommierten Zeitschrift Science erschienen.

In Zusammenarbeit mit der Hamburger Abteilung "Strukturelle Zellbiologie der Viren" am Heinrich-Pette-Institut, Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI) und am Centre for Structural Systems Biology (CSSB) hat sich ein Forschungsteam des Medizinischen Zentrums der Universität Leiden (Niederlande, LUMC) auf den "Umbau" und die Schäden durch das sich replizierende Coronavirus in der infizierten Zelle konzentriert.

Ein spezielles Kompartiment für die Genom-Replikation

Coronaviren können Membranstrukturen infizierter Zellen in scheinbar geschlossene Kompartimente umwandeln, in denen das virale genetische Material, die RNA, kopiert wird. Diese 'Replikationsorganellen' sind von einer doppelten Membranschicht umgeben und bieten wahrscheinlich die besten Bedingungen für den Kopierprozess des viralen Genoms. Sie ermöglichen es der Virusmaschinerie möglicherweise auch, sich vor bestimmten zellulären Immunantworten zu verstecken.

Die neu hergestellte Virus-RNA trägt den Code zur Herstellung neuer Virusproteine und muss schließlich in neue Viruspartikel verpackt werden, damit sich das Virus ausbreiten kann. Dies erfordert den Export der neu hergestellten RNA aus den Replikationsorganellen. Bislang war jedoch nicht bekannt, wie dieser Schritt vonstatten geht.

Kryo-Elektronenmikroskopie

In der nun erschienenen Studie hat das Forschungsteam mittels Kryo-Elektronentomografie die Replikationsorganellen des Coronavirus analysiert, eine Technik mit der Zellstrukturen mit hoher Auflösung und im nativen Zustand betrachtet werden können. Das Forschungsteam konnte so eine Öffnung in der Doppelmembran des Replikationsorganells identifizieren: Eine Kombination von viralen Proteinen bildet eine Pore, die den Export der RNA ermöglichen könnte.

"Anhand von den Tomogrammen infizierter Zellen konnten wir die Struktur der molekularen Pore mit Nanometer-Auflösung ermitteln", erklärt Dr. Ulrike Laugks, Wissenschaftlerin in der Grünewald-Gruppe, "ein Teil der Daten, darunter auch die zu SARS-CoV-2, wurde in der Kryo-EM-Facility am CSSB aufgezeichnet und gesammelt, die die Forschenden in diesen außergewöhnlichen Zeiten stark unterstützt".

Neuer Ansatzpunkt für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten

"Diese neu entdeckte Verbindung zwischen dem Replikationsorganell und dem Rest der Zelle ermöglicht nicht nur einen besseren Einblick in die Organisation des Replikationsprozesses von Coronaviren, sondern bietet auch einen neuen Ansatzpunkt für die Entwicklung antiviraler Medikamente", erklärt LUMC-Forscher Prof. Eric Snijder. Eine Blockierung dieser Pore könnte die Vermehrung von Coronaviren hemmen oder stoppen.

Damit wurde eines der fehlenden Teile im Puzzle der Coronavirus-Replikation gefunden. Nun ist weitere Forschungsarbeit notwendig, um zu klären, wie die neu entdeckte Struktur genau funktioniert und ob sie tatsächlich ein nützliches Ziel für die Entwicklung antiviraler Medikamente darstellt.

 

Publikation: 

Georg Wolff, Ronald W.A.L. Limpens, Jessika C. Zevenhoven-Dobbe, Ulrike Laugks, Shawn Zheng, Anja W. M. de Jong, Roman I. Koning, David A. Agard, Kay Grünewald, Abraham J. Koster, Eric J. Snijder, Monteserrat Bárcena (2020). A molecular pore spans the double membrane of the coronavirus replication organelle. Science Aug 6, 2020.