Instituts-Statement

Statement des HPI-Vorstands und der HPI-Gruppenleitungen zum Gutachten „Heinrich Pette und der Nationalsozialismus“ 

(Axel Schildt & Malte Thießen, ergänzte Fassung 12/2020)  

Das Heinrich-Pette-Institut, Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI) trägt seit 1964 den Namen seines Gründungsdirektors Prof. Dr. Heinrich Wilhelm Pette (1887-1964).   

1933 trat Heinrich Pette der NSDAP bei und gehörte zu den Unterzeichnern des Bekenntnisses der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat. Neben seiner Tätigkeit als Direktor der Neurologischen Universitätsklinik im Eppendorfer Krankenhaus (heutiges Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) war er zudem ab 1935 der zweite Vorsitzende der Gesellschaft deutscher Neurologen und Psychiater (GDNP).  

Vor diesem Hintergrund hat das HPI das Wirken von Heinrich Pette in den Jahren 1933 bis 1945 durch die beiden renommierten Historiker Prof. Axel Schildt und Prof. Malte Thießen untersuchen lassen. Ziel war es, „eine feste und kritikfreie Grundlage für die zukünftige Verwendung des Namens Heinrich Pette herbeizuführen.“ Im Ende 2020 überarbeiteten und nun vorliegenden finalen Gutachten sind drei Ergebnisse besonders hervorzuheben:      

  1. Das Gutachten zeigt, dass Heinrich Pette trotz seiner NSDAP-Parteimitgliedschaft wohl kein überzeugter Nationalsozialist war. Vielmehr lässt er sich eher in die Kategorie der „Mitläufer“ einordnen, die aus privaten oder beruflichen Vorteilen in die Partei eingetreten sind, ohne vollständig hinter der gesamten Ideologie zu stehen.     
  2. Weiter verdeutlicht das Gutachten, dass Heinrich Pette nicht direkt an „Euthanasie“-Taten beteiligt war. Trotz intensiver Forschungen in Archiven konnten keine Belege für Begleitforschungen Heinrich Pettes an Opfern der „Euthanasie“ gefunden werden. Klar ist allerdings die Mitwisserschaft Heinrich Pettes von „Euthanasie“-Verbrechen. Dafür sprechen seine Arbeit im Beirat des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung und seine Kontakte mit mehreren Verantwortlichen für „Euthanasie“-Verbrechen. Darüber hinaus hat Heinrich Pette seine Mitwisserschaft nach 1945 selbst mehrfach bestätigt. Seine Kontakte zu einem nach dem Krieg unter falscher Identität praktizierenden Mitorganisator der Krankenmorde waren 1961 Gegenstand eines Untersuchungsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtags.    
  3. Als Facharzt für Neurologie war Heinrich Pette als Gutachter an Erbgesundheitsverfahren im Sinne des Gesetzes zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses beteiligt. In verhältnismäßig vielen Fällen sprach sich Heinrich Pette für Sterilisierungen aus (in sieben seiner 15 bisher ermittelten Gutachten): Zwei Patienten meldete Heinrich Pette dem Erbgesundheitsgericht und beantragte ihre Sterilisierung. In fünf Gutachten befürwortete er die Sterilisierung: Aufgrund der Diagnose Epilepsie, in einem Fall basierend auf der Diagnose einer Schizophrenie. In einem weiteren Fall beantragte er eine Sterilisierung aufgrund eines „chronischen Alkoholismus“. Auf Basis der NS-Ideologie galten diese Krankheitsbilder als „erblich“. Wissenschaftlich war das Konzept umstritten. Achtmal lehnte Pette, bisweilen in Gegensatz zu anderen Gutachtern, die Sterilisation ab.  

Die in 1964 erfolgte Umbenennung des Instituts zur Erforschung der spinalen Kinderlähmung in Heinrich-Pette-Institut für Experimentelle Virologie und Immunologie an der Universität Hamburg basierte auf den bedeutsamen wissenschaftlichen Leistungen Heinrich Pettes auf dem Gebiet der Virologie und insbesondere im Bereich der Polioforschung. Nach wie vor gilt Heinrich Pette als zentraler Akteur bei der Einführung der Polioimpfung in der Bundesrepublik Deutschland sowie als international anerkannter und richtungsweisender Experte auf diesem Gebiet.  

Angesichts der Geschichte der Medizin im Nationalsozialismus ist das Tragen des Namens einer Persönlichkeit, die in jener Zeit in prominenter Funktion in der Medizin gewirkt hat, kaum kritikfrei möglich. Mit Blick in die Zukunft, erscheint der Mehrheit von uns der Name „Heinrich Pette“ für unser Institut als nicht mehr angemessen und mit einer modernen Ausrichtung nicht kompatibel. Nach vielen ausführlichen Diskussionen mit dem Kuratorium sowie unter Einbeziehung des Kollegiums und mehreren auf diesem Gebiet etablierten und renommierten Historikern, möchte das Institut den Namen „Heinrich-Pette“ in Zukunft nicht mehr führen.     

April 2021 Link zur entsprechenden Pressemitteilung